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Winters Panoptikum

Karls Gebäude im Spessart

Baukunst im 19. Jahrhundert: Der begehbare Entwässerungskanal des „Schienensees“ in Lohr

Eingang zum Schienensee

Der 2009 leider zu früh verstorbene beliebte Lohrer Naturschützer Hans Schönmann hat sich in einer Reihe von Zeitungsartikeln mit den Gewässern um Lohr befasst. Zum „Schienensee“ berichtete er, warum dieser auch „Roderichsee“ genannt wird: der Würzburger Jugendleiter Roderich Müller suchte diesen See – eigentlich nur ein kleiner Weiher – vor dem zweiten Weltkrieg mit jungen Wandervögeln im Hinblick auf die Naturidylle gerne auf. Hans Schönmann erwähnte am Rande, dass das Gewässer durch einen „gemauerten Kanal“ in die Lohr entwässert wird, der unter dem Bahnkörper und der B 276 verläuft.
Dazu wollte ich Näheres wissen. Zunächst suchte ich das Bauwerk „von unten“ auf und machte Fotos von aussen und nach Begehung von innen nach aussen, das war im Jahre 2018. Dann nahm ich Kontakt mit einem befreundeten pensionierten Bahningenieur auf. Dieser berichtete mir schliesslich Folgendes:
Die Bahnstrecke durch den Spessart wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst eingleisig gebaut.
Dazu musste am Fusse des Lohrer Beilsteinhanges am Ortsausgang in Richtung Partenstein ein hoher und langer Bahndamm errichtet werden. Dadurch entstand eine sehr tiefe Mulde zwischen Bahndamm und dem bergseitigen fast senkrechten Beilsteinhang.
Diese Mulde hätte sich bei stärkerem Regen und der Schneeschmelze erheblich mit Wasser gefüllt und die Standfestigkeit des Bahndammes gefährdet. Deshalb wurde an der tiefsten Stelle dieser Mulde zunächst im Jahre 1850 das Entwässerungsbauwerk zur Lohr errichtet. Durch einen „Mönch“, wie dieser bei Fischteichen üblich ist, wurde das Wasser etwas aufgestaut, so entstand das Gewässer. Ohne dieses kleine Überlaufbauwerk wäre die Entwässerung rasch durch Treibgut unbrauchbar geworden. Die danach auch im dortigen Bereich fertiggestellte Bahnstrecke durch den Spessart wurde am 1. Oktober 1854 eröffnet.
Im Jahre 1929, beim Bau des zweiten Gleises, wurde das Entwässerungsbauwerk auf die heutige Länge von 54,40 Metern verlängert.
Der Eingang an der steilen Böschung zwischen der B 276 und der Lohr (siehe Foto) ist weit übermannshoch in Bogenform gemauert, diese Bauweise umfasst etwa ein Drittel der Gesamtlänge. Der hintere Bereich bis zum Gewässer ist ebenfalls gemauert, aber rund mit einem Durchmesser von etwa einem Meter. Das zweite Foto zeigt den Anblick von innen nach aussen. Es ist erstaunlich, in welchem guten Zustand sich dieses Bauwerk nach mehr als 150 Jahren befindet, vergleichbar mit den hohen Sandstein-Bahnviadukten im Spessart.
Damals gab es weder Kräne noch andere Baumaschinen, alles war Handarbeit. Grosse Lasten wurden über Holzgerüste mit Seilen bewegt. Man baute wie die „alten Römer“, deren Bauwerke heute teilweise noch standfest sind.
Heute zeigen Betonkanäle und Betonbrücken schon nach wenigen Jahrzehnten grössere Schäden. So wurde die Anfang der 1970iger Jahre errichtete Mainbrücke in Gemünden gerade erneuert und auch die etwas später gebaute Lohrer Mainbrücke bereits saniert. Man kennt heute die Zusammensetzung des über Jahrtausende haltbaren „Römerbetons“, ebenfalls die „Mischung“, die für den Bau der Chinesischen Mauer verwendet wurde. Aber das wird nicht umgesetzt. Im Frühjahr 2008 ereignete sich im Umfeld des Schienensees durch den Sturm „Emma“ ein starker Windwurf am Steilhang. Daraufhin nahm die städtische Forstverwaltung diesen Bereich aus der Nutzung, eine Räumung wäre unwirtschaftlich gewesen. Dadurch ist der Schienensee kaum mehr erreichbar. Andererseits entsteht dort jetzt eine regelrechte „Urwaldinsel“.
Karl Scherer, Mai 2020

Schienensee

Das E-Werk in Frammersbach

E-Werk Frammersbach E-Werk Frammersbach - Wehranlage

Frammersbach. Im Jahre 1923 gingen in Frammersbach die elektrischen Lichter an, die Zeit der Petroleumlampen war vorbei. Die Gemeinde hatte auf halber Strecke Richtung Partenstein an der Lohr ein E-Werk errichtet, das mit Wasserkraft (Turbine) betrieben wurde und heute noch wird. Dazu wurde im „Hinterdorf“ eine Wehranlage gebaut, von der das gestaute Wasser in Richtung E-Werk abzweigt. Aber nicht – wie üblich – über einen Mühlgraben (Triebwerkskanal), sondern über ein mannshohes Lärchenholzrohr in Faßbauweise. Und das auf 1,5 Kilometer Länge! Erst vor etwa 15 Jahren wurde dieses durch ein Betonrohr ersetzt.

Am oberen Ende des Rohres wurde ein längliches ausgemauertes Bassin errichtet, daß die Frammersbacher „Basseng“ nannten. Dort lernten Generationen das Schwimmen. Das beigefügte Reprofoto stammt etwa aus dem Jahre 1933. Mädchen war der Zugang auf Anordnung des Pfarrers seinerzeit untersagt. .

Seit einer Reihe von Jahren muß das E-Werk im Spätsommer wegen Wassermangels stillgelegt werden, so liegt auch das verwilderte „Basseng“ trocken (siehe Foto). Zurückzuführen ist dies nach Expertenmeinung einerseits auf die vielen Tiefbrunnen im Maintal rund um das Mainviereck, die das Wasser aus dem Spessart „saugen“, und andererseits auf die Bodenverdichtung durch die heutige Waldbewirtschaftung mit schwerem Gerät (Quelle: „Eifelförster“ Peter Wohlleben).

Deshalb erzeugt das E-Werk heute nur noch ca. 300.000 Kilowattstunden Strom im Jahresdurchschnitt, das sind durchschnittlich 35 Kilowatt pro Stunde. Wäre diese Situation in früheren Jahrzehnten eingetreten, in denen die Gemeinde noch keinen Strom zukaufte, hätten die Frammersbacher zeitweise im Dunkeln gesessen..

Zum Abschluß noch eine in Deutschland einzigartige Besonderheit: Als die vielen Heimschneider sich nach und nach elektrische Bügeleisen anschafften, stieg der Stromverbrauch an. Die Gemeinde führte deshalb eine pauschale „Bügeleisensteuer“ ein. Stromzähler gab es erst wesentlich später.

Heute deckt das E-Werk nur noch einen sehr geringen Teil des Strombedarfes. Allerdings betreibt die Gemeinde zum finanziellen Vorteil der Bevölkerung das Stromnetz nach wie vor in Eigenregie.

E-Werk Frammersbach - Speicherhäuschen

Speicherhäuschen, von dem aus das Wasser 12 m tief in die Turbine fällt

  E-Werk Frammersbach - Wohn- und Turbinenhaus

In dem großen Haus ist die Turbinenanlage untergebracht. Dort wohnten früher auch die jeweiligen "E-Werker" mit ihren Familien, heute leerstehend.

E-Werk Frammersbach - Bassin wurde erstes Schwimmbad von Frammersbach

Das Repro zeigt junge Burschen beim Baden im "Basseng" etwa im Jahre 1933.
Teilweise konnte ich die Jungs mit Hilfe älterer Herrschaften identifizieren: oben links Otto Geiger, Mitte Alfred Eich, rechts unbekannt. Unten links Martin Weigand , Mitte unbekannt, rechts Michael Scherer.

E-Werk Frammersbach - Überlauf

Kaskadenförmigen Überlauf des Speicherhäuschens, der bei zu großem Wasserzulauf "anspringt".

Wehr in Partenstein Getreidemühle am Aubach

Das erste Foto zeigt eine verfallenes Wehr an der Lohr in Partenstein. Das zweite eine kleine renovierte Getreidemühle am Aubach in Wiesthal, die von einer Genossenschaft gepflegt und auf "Bestellung" auch mal in Betrieb gesetzt wird.

Wehr

Wehr zwischen Frammersbach und Partenstein, etwa an der Gemarkungsgrenze, dort zweigt ein Triebwerkskanal, ausgebaut mit einer dicken Folie, zu einer Turbine am oberen Ortsrand von Partenstein ab. Die Folie dichtet ab, da die Kanäle immer in Hanglagen liegen (wegen des Gefälles zur Turbine) und leicht undicht werden.

Das E-Werk am „Oberen Eisenhammer“ in Lohr
Rückblick und heutige Situation


Am 'Oberen Eisenhammer' Lohr

Oberwasserkanal vor dem Turbineneinlauf

Am 'Oberen Eisenhammer' Lohr

Wehranlage, von der der Triebwerkskanal zum Eisenhammer abzweigt. Der Wasserstrahl ist die Restwassermenge für den "Mutterbach", die Lohr

Am 'Oberen Eisenhammer' Lohr

Unterwasserkanal direkt nach dem Turbinenauslauf

Am 'Oberen Eisenhammer' Lohr

Am 'Oberen Eisenhammer' Lohr

Links das alte E-Werk im Eisenhammer

 

Die nachstehenden Ausführungen gründen sich alleine auf die beim Landratsamt Main-Spessart, Sachgebiet Wasserrecht, vorliegenden Akten.

Es ist nicht festzustellen, wann der „Obere Eisenhammer“ und der obere Triebwerkskanal errichtet wurden, es sind keine Akten und Planunterlagen vorhanden. Vorgefunden wurde beim Stauwehr allerdings ein alter gut erhaltener Eichpfahl (siehe unten), der nach der in einer Kupferplatte eingeprägten Jahreszahl 1872 gesetzt wurde. Danach ist anzunehmen, daß die frühere Anlage wasser- und gewerbepolizeilich genehmigt war.

Aus einem amtlichen Lageplan des Vermessungsamtes Lohr aus dem Jahre 1845 (Uraufnahme) ergibt sich, daß zum damaligen Zeitpunkt auf den Grundstücken Fl.Nrn. 4181A bzw. 4180 und 4181 der Gemarkung Lohr zwei Hammergebäude mit einem bzw. zwei Wasserrädern mit den entsprechenden Mühlgräben vorhanden waren. Der Oberwasserkanal zweigte (wie noch heute) unterhalb der „Roten Mühle“ an einem Stauwehr von der Lohr ab. Sein Verlauf in diesem Plan entspricht dem heutigen Verlauf. Der Unterwasserkanal erhält unterhalb des „Oberen Eisenhammers“ nach diesem Plan einen Zufluß vom an der Lohr gelegenen „Erlichswehr“ (heute verfallen) und speist dann den „Mittleren Eisenhammer“, später Glashütte, Lederfabrik Mayer, heute Werk II der Fa. Bosch-Rexroth.

Damit dürfte feststehen, daß vor dem Inkrattreten des Wasserbuchgesetzes 1852 der „Obere Eisenhammer“ bereits bestand. Die Eichpfahlsetzung im Jahre 1872 rechtfertigt die Vermutung, daß zu diesem Zeitpunkt die zulässige Wasserhöhe festgestellt wurde und wasserrechtliche Gestattungen vorhanden waren. Im Jahre 1994 erfolgte ein neuer endgültiger Wasserbucheintrag „augrund unvordenklicher Verjährung“, unbefristet und unwiderruflich.

Der Eisenhammer wurde um 1900 stillgelegt. An gleicher Stelle wurde 1919 von Dr. Woehrnitz ein E-Werk mit zwei Turbinen errichtet. Diese Anlage wurde durch Bescheid des Bezirksamtes Lohr vom 27.02.1926 genehmigt. Nach diesem Bescheid hat der Betreiber die Unterhaltslast an „allen Anlagen“. Aus einer Entschließung des Königlich-Bayerischen Regierungs-Fiscalates vom 26.09.1897 geht hervor, daß das „Erlichswehr“ und der heutige untere Triebwerkskanal Ende der Zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts vom Staatsärare insbesondere zu Flößereizwecken errichtet wurden. Später wurde der Kanal von der Glashütte genutzt. Das Regierungs-Fiscalat kommt zu dem Ergebnis, daß die Besitzer der Glasfabrik und der Kupfermühle die Unterhaltslast am Erlichswehr und dem sich anschließenden Kanal haben. Nach alledem spricht viel dafür, daß der Eisenhammer und der Oberwasserkanal erst etwas später errichtet wurden.

In einem Schreiben des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg an das Landratsamt Lohr vom 16.03.1965 kommt zum Audruck, aus dem Genehmigungsschreiben vom 27.02.1926 müsse man ableiten, daß der Betreiber des E-Werkes auch den oberen Kanal und sogar das Bachbett im Einflußbereich des Stauwehres zu unterhalten habe. Verschiedentlich ist aus den Akten ersichtlich, wie man insbesondere die Ufer befestigen könnte, um die ständigen Ausschwemmungen zu verhindern. Wer allerdings wann z.B. die Ufer des oberes Kanales mit Betonplatten befestigt hat, ist nicht ersichtlich.

Heute sind die Unterhaltslasten für den oberen Kanal zu Lasten der Inhaber der Forellenzucht und des E-Werkes grundbuchrechtlich festgeschrieben. Für die Wehranlage trifft dies nicht zu (Stand Mai 2022). Diese dürfte sich daher noch wie seit jeher in der Unterhaltslast des Eigentümers des E-Werkes befinden. Eine vertragliche Teilung der Unterhaltslast mit dem Inhaber der Forellenzucht bleibt vorbehalten.

Ersichtlich ist aus den Akten, daß die Verpflichteten des unteren Kanales – jedenfalls in früheren Zeiten - nicht dazu angehalten wurden, Unterhaltsmaßnahmen durchzuführen. Mit Schreiben vom 07.06.1988 bat Gerd Rexroth den Landrat um Abhilfe, da der gesamte untere Kanal versandet und verunreinigt war. Das Landratsamt stellte dazu fest, daß für die Unterhaltung der der Nutzung der Wasserkraft dienenden Anlagen gem. Art 43 Abs. 3 des Bayer. Wassergesetzes der Unternehmer der Wasserbenutzungsanlage verantwortlich ist. In einem weiteren Schreiben vom 22.09.1988 teilte Gerd Rexroth dem Landrat mit, er habe in Eigeninitiative zusammen mit der Fa. Rexroth begonnen, den gesamten unteren Kanal auszubaggern und zu reinigen, um Hochwasserereignisse im Bereich des Werkes II zu vermeiden.

Art. 43 Abs. 3 (heute Art. 22 Abs. 3) hat folgenden Wortlaut:
„Den Unternehmern von Wasserbenutzungsanlagen oder sonstigen Anlagen in oder an Gewässern obliegt die Unterhaltung des Gewässers insoweit, als es durch diese Anlagen bedingt ist.“

Eichpfahl: Ein Eichpfahl, auch Mühlpfahl, Malpfahl, Wagpfahl, Währpfahl oder Markeur genannt, war ein im Mühlbach eingeschlagener Pfahl, mit dem sich die genehmigte Stauhöhe des Mühlwassers kontrollieren ließ.


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